Im Blog finden Sie ein Interview mit der Kunstschülerin Lena Schilling. Das ZDF und die Wiener Stadtzeitung „Falter“ haben die Klima-Aktivistin vor Ort an der KunstModeDesign Herbststrasse porträtiert. Wir werden darüber berichten. Univ. Prof. Ulrich Brand** (Prof. an der Universität Wien, für internationale Politikwissenschaften) hat im Festsaal der Herbststrasse vor hunderten Schüler/innen & Lehrer/innen einen spannenden Vortrag zum Themenkomplex Umwelt/Klima/Politik gehalten.
**Ulrich Brand vom Institut für Politikwissenschaft der Uni Wien ist lt. DER STANDARD einer der Kritiker aktueller österreichischer Umweltpolitik. Hier ein Beitrag im Standard vom 17. September 2019. Auch die Wiener Stadtzeitung FALTER widmet sich in seiner aktuellen Ausgabe der „Fridays for Future“ Bewegung. Link: www.falter.at
„Wer das System verändern will,
muss es verstehen!“
Ein Interview mit Lena Schilling, einer der führenden Klima Aktivist/innen der „Friday for Future“ Bewegung in Österreich!
Lena, gab es einen auslösenden Moment, wo du gesagt hast, da mache ich nicht nur mit, sondern diese Bewegung möchte ich mitgestalten?
Naja, eigentlich würde ich sagen, ich bin eher rein gerutscht. Ich war vorher schon anders politisch aktiv und habe bei einem übergreifenden Vernetzungstreffen Katharina Rogenhofer und Johannes Stangl, die Gründer von der Initiative in Österreich, kennen gelernt und wir waren sofort auf einer Wellenlänge.
Klimaschutz bzw. Umweltschutz sind in einer globalisierten Welt eigentlich sehr komplexe Thematiken. Was sind hier eure Forderungen an die Bevölkerung, an die Industrie, an die Politik?
Das ist eine sehr umfassende Frage, weil das Thema ja ein sehr weitläufiges ist. Es gibt 6 konkrete Forderungen an die Politik, welche bundesweit beschlossen wurden, unter anderem die Einhaltung des 1,5 Grad Zieles. Wir sehen, dass Entscheidungsträger vermehrt vergessen, für die Bevölkerung sinnvolle Entscheidungen zu tragen. Ein bisschen ironisch nicht? Und andererseits geht es natürlich auch um das Bewusstsein der Individuen. Aber wenn wir uns anschauen, dass 70% des Co2 von nur 100 Unternehmen auf der Welt ausgestoßen werden, kann man die Relation der Handlungsfähigkeit sehen. Die Politik muss auch die Rahmenbedingungen für die Industrie schaffen, wobei man ja oft das Gefühl hat, dass es eher umgekehrt ist.
Welche konkreten Ziele verfolgt ihr mit „Fridays for Future“? Was wären „erste Erfolge“?
Dazu muss ich sagen, dass ich sehr gespannt bin, wie die Abstimmung im Nationalrat am 29.9 ausgehen wird. Aber allein die Tatsache, dass das Klimathema im Wahlkampf so zentral ist und so viele Parteien sich als Klimaparteien bezeichnen, ist schon ein Fortschritt. Abgesehen davon, hat eine Generation an jungen Menschen den Glauben daran gefunden, ihre Zukunft selbst bestimmen zu können.
Du hast bereits einige Politiker/innen getroffen und mit ihnen Gespräche geführt. Welchen Eindruck hat man hier gewonnen?
Leider war ich oft sehr enttäuscht, weil ganz oft jegliche Verantwortung verleugnet wurde und auf einzelne Menschen übertragen. Wozu gibt es denn Menschen, die Entscheidungen treffen können?
Wie begegnen dir Medienvertreter/innen?
Im Großen und Ganzen sehr interessiert. Aber leider manchmal auch untergriffig oder es gab kaum vorhandene Recherchearbeit.
Lena am Titel einer österreichischen Boulvardzeitung vom 15. März 2019
Müssen wir alle für mehr Klimaschutz „verzichten“?
Wenn Verzicht so definiert wird, dass man nicht drei mal im Jahr wegfliegt; dann ja, weil der Rest der Welt nicht auf seine Zukunft verzichten soll müssen. Aber im Grunde muss es Rahmenbedingungen geben, die klimafreundliches Verhalten einfach macht. Das darf einfach kein Luxus mehr sein, sondern Normalität!
Aber „Verzicht“ wird doch zu einer „sozialen Frage“. Wenn etwa Flüge teurer werden, können nur noch diejenigen fliegen, die es sich leisten können! Der „unfreiwillige Verzicht“ betrifft eigentlich die Menschen, die sich in den letzten Jahren endlich auch Flugreisen leisten konnten. Der Lenkungseffekt geht doch vor allem auf Kosten der sozial Schwächeren! Ist das nicht ungerecht? Wie siehst du das?
Dass eben aus diesem Grund „Fridays for Future“ Klimagerechtigkeit fordert! Das heißt, soziale Maßnahmen müssen immer mit der Klimathematik einhergehen. Züge müssten beispielsweise bei einer Kerosinsteuer dann ganz stark subventioniert und verbilligt werden.
Ihr sucht ganz bewusst die Nähe zur Politik, um das Gespräch zu finden, aber auch um Druck auszuüben. Einladungen von Politikern folgten. Aber euer Appell richtet sich doch eigentlich an die Bevölkerung, ihr Verhalten zu überdenken / zu ändern! Politiker/innen bzw. Parteien werden aber von der Bevölkerung auf Zeit gewählt und wir leben in einem doch eher dem Populismus zugeneigtem Zeitalter. Sind klimafreundliche Gesetze (in der Bevölkerung) mehrheitsfähig; traut ihr Politikern „unpopuläre Maßnahmen“ zu?
Der Appell richtet sich an alle Menschen, aber eben vor allem an diejenigen, denen die Mittel zur Verfügung stehen im „großen Ganzen“ etwas zu bewegen. Wir sehen uns als Druckbewegung, weil es seit 1980 keine Regierung geschafft hat, für das Problem ernsthafte Lösungen zu finden. Daher braucht es die Zivilbevölkerung jetzt!!!
Themen kommen; Themen gehen. 2015 und die Folgejahre war es das Thema „Flüchtlinge“, das den Diskurs vor allem in Europa geprägt hat, heute wird auch (wie du vorher erwähnt hast) parteiübergreifend über das Klima diskutiert! Befürchtest du nicht, dass die Themenkonjunktur wieder eine andere werden kann und man dann nichts mehr erreicht! Da braucht es jetzt nur ein paar „kühlere Sommer“, und das Thema könnte „weg“ sein!
Das wäre leider sehr katastrophal, wenn man bedenkt, dass wir nur mehr bis 2030 Zeit haben, um in Wien auf Co2 netto „Null“ zu kommen, um Folgen einzudämmen, an die ich gar nicht denken will. 2018 gab es in Österreich mehr Hitzetote als Verkehrstote. Es gibt Prognosen mit 140-200 Millionen Klimaflüchtlingen. Das wäre wohl verheerend.
Welche Vision eines „klimafreundlichen“ Europas hast du?
Auf jeden Fall den Flugverkehr eingeschränkt zu wissen, autofreie Städte und gute Zugverbindungen. Europa als eine Einheit zu wissen, ein Europa mit geregeltem Mindestlohn, guten Krankenversicherungen und geeinter Migrationspolitik.
Lena, du bist 18, maturierst im Mai/Juni 2020 an der KunstModeDesign Herbststrasse. Hast du schon konkrete Pläne?
Ich wollte in der Welt immer etwas bewegen und habe lange überlegt in die Politik zu gehen, durch meine Erfahrungen zweifle ich mittlerweile aber massiv an der Bewegungskraft in der Politik. Trotzdem möchte ich Jura studieren. Wer ein System verändern will, muss es zuerst verstehen.
Inwiefern hat dich die Kunst- und Modeschule Herbststrasse geprägt, an der du seit mehr als 4 Jahren eine Ausbildung absolvierst?
Sehr ehrlich gesagt, habe und hatte ich in meiner Zeit an der Herbststrasse sehr viele großartige Begegnungen mit Menschen. Meine Mitschülerinnen sind zu meiner Familie geworden und einzelne ProfessorInnen zu Vorbildern. Ich hatte viele Möglichkeiten zu diskutieren, eine Meinung zu bilden und zu wachsen. Ich habe auch gelernt, zu kämpfen.
Lena, wir wünschen dir viel Kraft, Ausdauer und viele Erfolge.
Danke!
Interview geführt von DaMi, KMD Herbststrasse
Hier finden Sie Impressionen vom Aktionstag!
Fotografiert von Tobias Dörler und Petra Lutnyk