Holocaust Gedenktag. Lesen Sie hier einen Beitrag der Kunstschülerin Anna Spicker!
Betritt man ein ehemaliges Konzentrationslager mit einem gewissen Maß an Bildung und Empathie, dann ist es unmöglich, die vorherrschende Atmosphäre zu ignorieren. Das Leiden der Menschen scheint greifbar, die Trauer ist enorm. Fragen kommen auf, Fragen von erschreckender Natur.
Woraus besteht die Erde, welche jene Pflanzen nährt?
All die Toten, all das Blut und Leid. Die gestiefelten Füße treten platt was einst erhaben. Gleichen an was einst individuell. Kein Mensch wohne hier; welch praktische Ausrede. Es seien bloß Tiere. Haarlos, Gedankenlos, arbeitswillig. Oh, du süße Macht, welch Freude, wenn sie sich räkeln vor kaltem Wasser. Wenn sie gehorchen, wenn der Knüppel einfach trifft, dann hat der Übermensch Berechtigung. Schau niemandem in die Augen, emotionale Bindungen sind unerwünscht. Denn Brutalität ist schlussendlich verbunden mit Menschlichkeit. Es gilt nur zu verdrängen, die Hemmschwelle zu einer Illusion verkommen zu lassen. Senke deinen Blick.
Wie viele Tränen sind des nachts gefallen?
Wenn die müden, erschöpften, ausgemergelten Gestalten versuchen in Alpträume zu sinken. Zu hunderten liegen sie, zu hunderten atmen sie, man stimmt an zur hässlichsten Kakophonie. Wer nicht mehr aufsteht wird entsorgt. Wer zu schnell kommt erhält das Wässrigste an Nahrung. Die Hoffnung stirbt zuletzt, aber mancher hat sie schon längst begraben. Farben markieren deine Straftat; deine Existenz, die Liebe können so illegal sein. Nach dem Tod sind alle Farben Asche. Der Geruch deines mageren Fleisches wird in der Luft hängen wie das penetranteste Zeichen der Macht. Kümmern wird sich niemand, erwarte keine Rettung. Dein Tod ist gewiss, solange du in Europa bist. Und woher sollten die Mittel kommen, eine Reise anzutreten?
Welchen Schmerz ließ jener Steinbruch widerhallen?
Wenn ein einziger Stoß reicht, alle zu töten. Wenn eine einzige Person über das Leben mehrerer bestimmt. Wenn die Arbeit neue Gebäude schafft und Tod bringt. Dann habe ich Angst. Nichts passiert zweimal auf dieselbe Weise. Doch Ähnlichkeiten treten auf und die Technik schreitet nur voran. Österreich trug das Bild der Opferrolle mit einer Sturheit, mit der man das Bild Hitlers selbst schon trug. Nach Macht greifende Menschen scheint es überall zu geben. Doch ihnen den Aufstieg aus vermeintlichem Unglauben an ihr Können dennoch zu erlauben, ist naiv. Es gibt die Hitlers, Stalins und Mussolinis nicht nur in der Vergangenheit Faschismus ist nicht alt und noch lange nicht zu Ende. Kinder sind im dritten Reich aufgewachsen – Kinder die das Leben nicht anders kennen. Kinder, die im Teich schwimmen gehen, für die der Anblick eines Konzentrationslagers etwas Alltägliches ist. Wer hätte ihnen je beibringen sollen, dass Völkermord etwas Schlechtes ist? Wer hätte ihnen je beibringen sollen, selbst zu denken und für andere einzustehen? Die Nationalsozialisten bestimmt nicht, und davon gab es viele. Hetze existiert weiterhin und man versucht nicht mal, ihr Dasein zu verleugnen.
Zwei Denkmaler, mit ähnlichen Hintergrundgedanken.
„Menschen seid wachsam.“
„Das Vergessen des Bösen erlaubt dessen Wiederholung.“
Text von Anna Spicker, Kunstschülerin